Die Pläne für eine europaweite Pfandpflicht sind im europäischen Trilog-Verfahren – was bedeutet das?
Die vieldiskutierte Europäische Verpackungsverordnung (Packaging and packaging waste regulation, PPWR), die unter anderem eine europaweite Pfandpflicht für Einweggetränkeverpackungen vorsieht, ist in einer entscheidenden Abstimmungsphase angelangt – dem so genannten Trilog.
Nach einem Entwurf der EU-Kommission, die das Initiativrecht für einen Vorstoß zur Neuregelung des Verpackungsrechts in den Mitgliedstaaten genutzt hatte, wurden Änderungs- und Ergänzungsvorschläge des EU-Parlaments und anschließend des Europäischen Rats vorgelegt. Diese drei Institutionen haben jeweils eigene Versionen entwickelt, die sich teilweise stark voneinander unterscheiden. Die DPG hatte sich an diesem Verfahren, wie viele andere Markt- und Systemteilnehmer auch, mit Anmerkungen und Vorschlägen zu einer praxisnahen Ausgestaltung der PPWR beteiligt und sich insbesondere um Sachaufklärung zur Funktionsweise von erfolgreichen Pfandsystemen und Darlegung der dafür benötigen gesetzlichen Rahmenbedingungen bemüht. Wir berichteten hierzu auch in unserem Beitrag vom 13.04.2023.
Der Europäische Rat hat in seine letzte Version folgende Aspekte aufgenommen, die auch von der DPG gefordert wurden:
- Bei einer Einführung der Pfandpflicht in ganz Europa sollen bestehende Pfandsysteme wie das der DPG ihre Regelungen (zur Kennzeichnung, etc.) und damit ihren erfolgreichen, etablierten Betrieb aufrechterhalten können (Bestandsschutz).
- Mitgliedstaaten sollen nunmehr die Möglichkeit haben, eine 0,1 l Füllmengenuntergrenze bei pfandpflichtigen Einweggetränkeverpackungen vorzusehen.
- Es soll Ausnahmemöglichkeiten von Mindestanforderungen für bestehende Pfandsysteme geben, wenn die Sammelquote mind. 90% beträgt.
- Anpassungen bei den Mindestanforderungen an Pfandsysteme wurden berücksichtigt. Gemeint sind Änderungen wie
a) die Streichung etwaiger Steuerregelungen auf den Pfandbetrag und
b) die Streichung der Passage zur Interoperabilität von Pfandsystemen.
Diese Aspekte wären aus DPG-Sicht ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung. Die Version des Parlaments berücksichtigt diese Punkte noch nicht vollumfänglich.
Und nun wird es spannend: Im zurzeit laufenden Trilog-Verfahren werden die drei Versionen der PPWR buchstäblich nebeneinandergelegt und verhandelt – „informelle Kompromissfindung“ nennt man das Verfahren, das nichtöffentlich stattfindet. Um diesen Prozess zielführend zu gestalten und zu einem ausverhandelten Kompromisspapier zu kommen, wurde als vorläufig letzter politischer Verhandlungstag der 4. März 2024 festgesetzt.
Wie geht es nach dem Trilog Verfahren weiter, wer entscheidet über das Kompromisspapier?
Der im Trilog ausgehandelte Kompromiss ist vorläufig und muss im Anschluss von Rat und Parlament formell verabschiedet werden.
Vor dem Hintergrund der bevorstehenden Neuwahlen des EU-Parlaments im Juni 2024 ist der Zeitplan für eine Verabschiedung des Kompromisspapiers zur PPWR durch das bestehende EU-Parlament sehr eng gesetzt.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist nicht absehbar, ob es den involvierten Parteien gelingt, den Trilog zur PPWR rechtzeitig und erfolgreich abzuschließen.
Kommt es bis April 2024 nicht zu einer Verabschiedung durch das EU-Parlament, wird dieses zunächst im Juni 2024 neu gewählt und tritt erst wieder im September 2024– dann in neuer Besetzung – zusammen. Noch laufende Gesetzgebungsverfahren können zwar auch mit einem neuen EU-Parlament fortgesetzt werden (keine sachliche Diskontinuität), aber die Europawahlen können die Mehrheitsverhältnisse im EU-Parlament wesentlich verändern.
Der Prozess zur Verhandlung und Verabschiedung der PPWR könnte folglich auch erst ab diesem Zeitpunkt wieder aufgenommen werden.
Trotz des Zeitdrucks im Trilog sollte es von höchster Bedeutung sein, dass bestehende ökologische Errungenschaften wie das Deutsche Pfandsystem durch die dabei abgestimmten Regelungen der neuen PPWR nicht beeinträchtigt werden. Denn eines ist klar. Der Green Deal ist im Plastikbereich mit abhängig von funktionierenden Pfandsystemen für Einweggetränkeverpackungen mit hohen Rücklaufquoten wie sie u.a. das Deutsche Pfandsystem bereits aufweist.
Der Green Deal mit einer Ausweitung der Pfandpflicht in der EU – welche Veränderungen würden sich für das Deutsche Pfandsystem ergeben?
Insofern geeignete Kompromissvorschläge verhandelt werden, die ausreichend Bestandschutz bieten würde sich in Deutschland hinsichtlich Einweggetränkeverpackungen keine großen Änderungen ergeben, denn eine erweiterte Produzentenverantwortung (EPR) für Glas, Papier und Verpackungen wurde bereits 1991 realisiert und durch die im Jahr 2005 eingeführte umfangreiche Pfand- und Rücknahmepflicht für Einweggetränkeverpackungen gesetzlich ergänzt. Seitdem schafft die DPG als privat finanzierte Non-Profit-Organisation und Betreiberin eines bundeseinheitlichen Pfandsystems verlässliche Rahmenbedingungen im Sinne des deutschen Verpackungsgesetzes (VerpackG) für alle beteiligten Akteure im Markt – für die involvierten Unternehmen aus Handel und Lebensmittelbranche, aber auch die Konsumenten von Einweggetränkeverpackungen und vor allem eine zur Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit bereite Gesellschaft.
Damit kann Deutschland als größte Volkswirtschaft in der EU auf wichtige Erfahrungen und Erfolge aus fast 20 Jahren gelebter Praxis zurückblicken. Jährlich werden rund 20 Mrd. Einweggetränkeverpackungen über mehr als 40.000 Rücknahmeautomaten und ergänzende Zählzentren über das DPG-System abgewickelt. Die Rücklaufquoten von mehr als 98 Prozent1 unterstreichen die breite Verbraucherakzeptanz und den ökologischen Erfolg des Systems, das damit einen wesentlichen Beitrag zur Abfallreduktion und Ressourcenschonung leistet.
Eine Übersicht zu den Aspekten der Nachhaltigkeit in unserem System finden Sie hier.
1 Vgl. GVM-Studie „Aufkommen und Verwertung von PET-Getränkeflaschen in Deutschland 2019“, Oktober 2020, Hrsg. GVM Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung, abrufbar unter https://dpg-pfandsystem.de/images/pdf/2020-10-19-Kurzfassung-Verwertung-PET-Getraenkeflaschen-2019.pdf